Farbiger Körperkult in Korea
Für die Einen ist es
Kunst, für die Anderen eine Verstümmelung des eigenen Körpers. Eine
Lebenseinstellung oder ein Tabuthema. Es gibt sie in allen Formen, allen Größen
und allen Farben. Die Rede ist von Tattoos.
Bei uns hier in
Deutschland ist es inzwischen kein Problem mehr, seinen Körperschmuck frei zu
zeigen. In Korea sieht es da jedoch ganz anders aus. Ursprünglich
ausschließlich assoziiert mit Mitgliedern organisierter Kriminalität hat das
Image der Tattoo-Szene in den letzten Jahren begonnen, einen langsamen Wandel
zu durchlaufen. Und mit langsam ist gemeint: im Schneckentempo.
Während man auf den
Straßen, vor allem in Vierteln wie 홍대 und 신촌 an lauen Abenden immer mehr Träger der bunten Bildchen zu ihren
Investitionen stehen, scheint die rechtliche Lage in einen Stein gemeißelt zu
sein, der einfach nicht zerbrechen will.
Zwar ist das Tätowieren
an sich in Korea nicht illegal, doch dürfen laut Gesetz nur lizenzierte
Doktoren Hand an die Nadel legen. Von offizieller Seite (der Korea Medical
Association) heißt es, dass ein solches Gesetz auf gesundheitlichen Aspekten
Fuß fasst. Die Prozedur des Tätowierens ist invasiv, die Haut wird durchbrochen
und es blutet. Deshalb wird das Tätowieren als ein medizinischer Eingriff
angesehen. Hinzu kommt die Möglichkeit der Infektion mit Krankheiten wie
Hepatitis oder AIDS durch die Verwendung nicht regelkonformer „Werkzeuge“. Doch
welcher Doktor ist schon bereit dazu, eine jahrelange medizinische Ausbildung
abzulegen um dann „nur“ Tätowierer zu werden? Niemand, wie man es sich schon
denken kann. Dafür ist die Ausbildung zu kostspielig und die Einnahmen im
späteren Beruf zu niedrig. So entstanden auch in Korea nach und nach immer mehr
eigenständige Tätowierer.
Was die strengen
Richtlinien für die dennoch bestehenden Tattoo-Shops bedeutet? Ungewissheit.
Lokale Autoritäten können
unangekündigt und wann immer sie wollen eine Art Razzia starten. Richtig
gelesen – Razzia. Mit möglichen Strafen um die 3.000 US Dollar und
Bewährungsstrafen. Man könnte sich fast dazu hinreißen lassen, zu sagen, dass
in Korea Tätowierer derzeit ein ähnliches Dasein führen wie Arbeiterinnen die
im ältesten Gewerbe der Welt (sprich der Prostitution) tätig sind: Genau
genommen ist ihr Job illegal, dennoch wird ihre Arbeit von den Behörden
hingenommen und ignoriert, solange sie für das öffentliche Auge so gut wie
unsichtbar bleiben.
So kommt es, dass man
blinkende LED Schilder der Marke „Tätowierer HIER“ auf den Straßen Seouls
vergebens sucht. Mit Ausnahme einiger mutiger Ladenbesitzer, die bereit sind,
das Risiko einzugehen, liegen die meisten Tattoo-Shops im Verborgenen. Möchte
man also ein neues Kunstwerk auf seinem Körper verewigen, so sollte man sich
vorher über das Internet informieren. Trotz der Gesetzeslage haben auch die
vertrauenswürdigen Tätowierer alle eine eigene Präsens im World Wide Web
aufgebaut um ihre Arbeiten zu zeigen und neue Kunden anzulocken. Auf den
Websites sind dann verschiedenste Kontaktdaten wie Telefonnummern oder
KakaoTalk-IDs angegeben, über die problemlos Kontakt mit dem Tätowierer
aufgenommen werden kann.
Mag das ganze nun etwas
dubios klingen, so kann ich euch aus eigener Erfahrung versichern, dass man
sich auch in Seoul problemlos tätowieren lassen kann. Wie auch in Deutschland
sollte dabei natürlich immer ein Auge auf die Hygiene und Professionalität des
Ladens eurer Wahl geworfen werden.
Nach einigem Stöbern im
Internet entschied ich mich für „INKED S Tattoo“. Auch hier fand ich die
KakaoTalk-ID, sodass ruck zuck über den Messenger ein Termin ausgemacht wurde.
Ebenso wurde ich bereits dort nach meinen Wünschen gefragt. Da ich bereits
ziemlich genaue Vorstellungen von den beiden Tattoos hatte, lies ich meinen
-leider nicht vorhandenen- Malkünsten freien Lauf und schickte dem Tätowierer
einen ersten Entwurf.
Am Tag des vereinbarten Termins stiefelte ich nun also im Hochsommer nach
Apgujeong. Von Naver Maps lies ich mich zu meinem Ziel führen und kam vor einem
unscheinbaren Wohnhaus zum stehen. Erst ein Blick auf die Klingelschilder
verriet mir, dass ich tatsächlich an der richtigen Adresse war. Die Treppen
hoch gestapft öffnete mir dann Donghwa aka DX2, der Tätowierer mit dem ich
zuvor geschrieben hatte, die Tür in das gemütliche Studio. An den dunkelroten
Wänden wurden zahlreiche Bilder der Werke der verschiedenen Tätowierer, die in
dem Studio arbeiteten präsentiert. Nach einer kurzen Tour durch das Studio bei
der ich mich davon überzeugen konnte, dass die eigentlich selbstverständlichen
Regelungen eines Tattoostudios auch wirklich eingehalten werden, setzten wir
uns zusammen an einen PC um meine gewünschten Tattoos noch einmal zu
besprechen. Mit seinem fachmännischen Auge zeichnete DX2 gleich beim ersten
Versuch die Motive genau so wie ich sie mir vorgestellt hatte und dem Griff zu
Nadel und Farbe stand nichts mehr im Wege.
DX2 bat mich noch kurz
auf einem Sofa außerhalb des Tätowierbereiches Platz zu nehmen, damit er seinen
Arbeitsplatz vorbereitete. Die Zeit nutze ich, um mir die ausgestellten Werke
genauer anzuschauen und gleichzeitig konnte ich durch die große Glaswand beobachten,
wie DX2 die Liege und das danebenstehende Tischlein desinfizierte und die
sterilen Nadeln bereit legte. Nach beendeten Vorbereitungen ging es dann los
und nach dem Schablone aufkleben fing die Maschine dann auch schon an zu
surren. Eine gute ¾ Stunde verging mit Smalltalk und da war es auch schon
wieder vorbei. Stolz hatte DX2 mir erzählt, dass er am Ende des Monats für eine
Convention nach Berlin fliegen würde und bat mich, ihm doch ein paar nützliche
Floskeln auf Deutsch beizubringen. Und tatsächlich bekam ich doch später noch
einmal eine Kakao-Nachricht von ihm, in der er sich bedankte: „Bitte noch ein
Bier“ wäre sehr nützlich gewesen.
Bezahlt wurde in bar und
ich wurde noch einmal an die Pflegetipps für die frischen Wunden erinnert. Nach
einer so angenehmen Erfahrung war für mich sofort klar: Ich komme wieder!
Ich selbst war nun also
überglücklich mit dem Ergebnis. Doch wie sah es mit meinem Umfeld aus? Nun ja,
natürlich spreche ich hier nur aus eigener Erfahrung und möchte davon Abstand
nehmen diese Erfahrungen zu generalisieren. „신기하다!“ und große Augen waren wohl die meist gesehene
Reaktion meiner Freunde in den ersten Tagen. Viele fragten nach den Schmerzen
und, wo ich es denn hätte machen lassen. Negative Reaktionen blieben aus.
Lediglich von älteren Menschen bekam ich schräge Blicke. So zum Beispiel beim
Schwimmen gehen im kleinen Schwimmbad bei unserer Uni um die Ecke. Einige 찜질방s
verbieten auch tatsächlich Leuten mit Tattoos den Eintritt. Zuvor hatte ich oft
davon gehört, dass Tattoos in Korea nicht gerne gesehen seien. Meiner
persönlichen Erfahrung nach kann ich diese Aussage jedoch nicht
bestätigen. Vielmehr erinnere ich mich an die neugierigen Blicke und
interessierten Fragen nach den Bedeutungen.
Auch wenn das Gesetz in Korea das Tätowieren noch immer
als illegal abstempelt, so behaupte ich, dass Tätowierungen eigentlich schon
mehr oder weniger als nichts allzu besonderes mehr angesehen werden. Sicher,
bei der Arbeit sollten sie mit Sicherheit so gut wie möglich verdeckt werden.
Da der Sprung von Tattoos zu Piercings nicht sehr weit
ist, möchte ich an dieser Stelle auch noch ein paar Worte darüber loswerden.
Ich hatte das Gefühl, dass in der Tat Piercings viel problematischer sein
können als Tattoos was die Reaktionen der Koreaner angeht. Während Piercings an
den Ohren -egal wie viele, meist nach dem Motto „je mehr desto besser“- vor
allem bei den Mädchen sehr beliebt sind, scheint der Metallschmuck im Gesicht
eher ungern gesehen. Für alle, die sich dennoch ein wenig durchlöchern lassen
möchten, lohnt es sich dennoch auf jeden Fall, dies in Korea tun zu lassen. Hat
man den richtigen Piercer gefunden, ist auch ein guter Piercer in Seoul um Einiges
günstiger als ihre Kollegen hier in Deutschland.
Solltet ihr Interesse an
der Tattoo-Szene in Korea haben oder darüber nachdenken, euch vielleicht selbst
einmal unter die Nadel zu legen, so lohnt sich also einmal im Internet bei
Naver und NaverBlogs zu suchen. Besonders empfehle ich euch auch, durch diverse
tags auf Instagram zu stöbern, da viele Tattoo-Künstler dort Accounts eigens
für ihre Arbeit angelegt haben.
Lisa
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